Trotz Wohnungsnot: Warum 1,9 Millionen Wohnungen leer stehen

Von Dominik Hochwarth

Die Wohnraumsituation in Deutschland ist angespannt. Trotz hoher Nachfrage stehen etwa 1,9 Millionen Wohnungen leer. Diese Zahl ergibt sich aus dem Zensus vom 15. Mai 2022. Das entspricht einer Leerstandsquote von 4,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Diese Diskrepanz zwischen Wohnraumbedarf und Leerstand wirft Fragen auf und fordert Lösungen.

Wohnungen
Insbesondere in Großstädten suchen viele Menschen eine Wohnung, dabei gibt es jede Menge Leerstände

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Das Ausmaß des Problems

Ralph Henger, Experte für Wohnungspolitik am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), betont, dass die hohen Leerstandszahlen ein gespaltenes Immobilienmarktbild offenbaren. Während es in Ballungsgebieten an Wohnraum mangelt, stehen in ländlichen Regionen viele Wohnungen leer.

Besonders betroffen ist Ostdeutschland, wo die Abwanderung junger Menschen zu erheblichen Leerständen führt. Regionen wie die Eifel, Franken und das Saarland in Westdeutschland zeigen ähnliche Tendenzen.

Ursachen des Leerstands

Über die Hälfte der leerstehenden Immobilien (55 Prozent) sind seit mehr als einem Jahr unbewohnt. Matthias Waltersbacher vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung spricht von einem strukturellen Leerstand, der sich nicht von allein lösen wird. Nur 38 Prozent der leeren Wohnungen könnten innerhalb der nächsten drei Monate bezogen werden.

Besonders in den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin sind diese Anteile höher (52 bis 61 Prozent). Für etwa ein Viertel der leerstehenden Wohnungen (24 Prozent) sind Baumaßnahmen oder Sanierungen geplant, während nur vier Prozent abgerissen werden sollen.

Konsequenzen des Leerstands

Der sogenannte Donut-Effekt beschreibt, wie am Ortsrand neue Wohngebiete entstehen, während die innerstädtischen Lagen verfallen. Alte Bausubstanz, kleinere Wohnungsgrößen und schlechte Parkmöglichkeiten tragen zu dieser Entwicklung bei.

Henger weist darauf hin, dass Leerstand erhebliche Probleme mit sich bringt. Marode Häuser lassen Immobilienwerte in der Nachbarschaft sinken, Kriminalität und Vandalismus nehmen zu. Zudem müssen bestehende Infrastrukturen aufrechterhalten werden, was Kosten für die verbleibende Bevölkerung verursacht.

Lösungsansätze

Waltersbacher sieht in den 1,9 Millionen leerstehenden Wohnungen ein enormes ungenutztes Potenzial. Es sei wichtig, junge Menschen in den Regionen zu halten. Kulturelle Förderung und verbesserte Verkehrsanbindungen könnten dabei helfen. In Zeiten vermehrter Homeoffice-Arbeit könnten leerstehende Wohnungen auch als Co-Working-Spaces genutzt werden.

Ein konkretes Beispiel zur Bekämpfung des Leerstands ist das Wohneigentumsprogramm „Jung kauft Alt“. Dieses Programm zielt darauf ab, leerstehende Immobilien in ländlichen Regionen wiederzubeleben. Ralph Henger lobt das Programm als effektiv, allerdings sind die Mittel begrenzt. Die Bundesregierung plant eine bundesweite Umsetzung, doch finanzielle Hürden bestehen.

Statistische Grundlage

Die Daten zum Leerstand stammen aus dem Zensus 2022. Dabei wurden Informationen aus amtlichen Registern und Befragungen von zwölf Prozent der Bevölkerung genutzt. Rund 23 Millionen Immobilieneigentümer und etwa 8.000 Wohnungsunternehmen gaben Auskunft über ihre Immobilien.

Als Fazit lässt sich sagen: Die Wohnraumsituation in Deutschland ist komplex. Trotz hoher Nachfrage stehen viele Wohnungen leer. Diese Diskrepanz erfordert gezielte Maßnahmen, um Leerstände zu reduzieren und den Wohnraum effizient zu nutzen. Programme wie „Jung kauft Alt“ und die Förderung ländlicher Regionen könnten helfen, das Problem langfristig zu lösen.

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