Innovative Baustoffe: Wie Riesenchinaschilf Holz ersetzen kann

Von Dominik Hochwarth

Riesenchinaschilf ist eine beeindruckende Pflanze, die in vielen Gärten als Sichtschutz genutzt wird. Ursprünglich aus Japan stammend, wächst die auch als Miscanthus giganteus bekannte Pflanze schnell und hoch, was sie für vielfältige Anwendungen interessant macht. Denn Miscanthus ist mehr als nur eine Zierpflanze – es hat das Potenzial, die Baubranche zu revolutionieren.

Riesenchinaschilf
Riesenchinaschilf ist nicht nur eine beliebte Zierpflanze, sondern kommt vermehrt als Baustoff zum Einsatz

Inhaltsverzeichnis

Riesenchinaschilf als nachhaltige Alternative zu Holz

Am Department Architektur der Universität Siegen ist es einem Team um Prof. Dr.-Ing. Mathias Wirths gelungen, Balken aus diesem vielseitigen Material zu entwickeln. Diese Balken stehen in Sachen Festigkeit marktüblichem Konstruktionsvollholz in nichts nach. Damit könnte Riesenchinaschilf eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Baustoffen wie Holz werden.

Die Vorteile von Miscanthus liegen auf der Hand: Die Pflanze liefert einen hohen jährlichen Ertrag und kann als Baustoff große Mengen CO2 speichern. Damit leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Dekarbonisierung und zur Nachhaltigkeit im Bauwesen. In Zusammenarbeit mit weiteren Hochschulen, darunter die RWTH Aachen und die Alanus Hochschule, arbeitet das Siegener Forschungsteam daran, Miscanthus als Baumaterial für Primärkonstruktionen zu etablieren. Das Projekt wird im Rahmen der Bundesinitiative „Zukunft Bau“ gefördert.

Herausforderungen bei der Verarbeitung von Miscanthus

Bislang wurde das gehäckselte und mit Bindemitteln vermischte Pflanzenmaterial vor allem als Dämmstoff eingesetzt. Die Entwicklung von Balken stellte das Forschungsteam jedoch vor neue Herausforderungen. Die glatten Oberflächen der Schilfblätter erschwerten die Verbindung der einzelnen Komponenten. Doch mithilfe einer speziell entwickelten Maschine, dem „Miscanthus-Biber“, konnten die Schilfblätter aufgeraut und anschließend verklebt werden. Erste Versuche mit biologischem Knochenleim brachten vielversprechende Ergebnisse, doch dieser Kleber war nicht wasserfest und daher für den Baubereich ungeeignet.

Auf Empfehlung der Industrie setzte das Team schließlich Epoxidharze ein, um die Stabilität der Balken zu gewährleisten. Diese erwiesen sich als äußerst effektiv, doch da sie auf Erdöl basieren, entsprechen sie nicht dem nachhaltigen Anspruch des Projekts. Daher suchen die Forscherinnen und Forscher weiterhin nach einem geeigneten Biokleber, der den Anforderungen gerecht wird.

Optisch überzeugen die Balken aus Riesenchinaschilf ebenfalls: Ihr warmes, bernsteinfarbenes Aussehen macht sie auch für den sichtbaren Einsatz attraktiv. Doch die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Neben der Suche nach einem passenden Klebstoff arbeiten die Wissenschaftler*innen auch an speziellen Verbindungselementen, die die Schilf-Balken zu einem vollwertigen Baumaterial machen sollen.

Balken aus Riesenchinaschilf
Die Balken aus Riesenchinaschilf haben ihre Festigkeit im Labor unter Beweis gestellt. Die Belastungstests waren sogar etwas besser als die von Konstruktionsvollholz. Foto: Universität Siegen

Merkmale von Miscanthus

Miscanthus ist eine bemerkenswerte Pflanze, die aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften hervorragend als Baustoff geeignet ist. Mit ihrer schnellen Wachstumsrate und einer Nutzungsdauer von bis zu 25 Jahren liefert sie zuverlässig hohe Erträge. Diese Eigenschaften machen sie zu einem vielversprechenden Kandidaten für verschiedene Anwendungen im Bauwesen.

Ein besonders naheliegender Einsatzbereich für Miscanthus ist die Dämmung von Wänden, Böden und Dächern. Durch seine natürlichen wärme- und schalldämmenden Eigenschaften trägt Miscanthus erheblich zur Energieeffizienz von Gebäuden bei. Zudem lässt sich das Material in vorgefertigten Wandelementen als Ausfachung einsetzen, was die Bauzeiten verkürzt und die Nachhaltigkeit der Konstruktionen erhöht.

Auch in Form von Wandziegeln könnte Miscanthus in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Dank seiner Zugfestigkeit und seiner schwer entflammbaren Natur bietet es eine sichere und dauerhafte Alternative zu herkömmlichen Materialien. Miscanthus kann zudem als Zuschlag für Leichtbeton, Putz und Estrich verwendet werden, was den ökologischen Fußabdruck von Bauprojekten weiter reduziert.

Umweltfreundliche Eigenschaften und Nachhaltigkeit

Ein weiterer Vorteil von Miscanthus ist seine feuchteregulierende und fäulnisresistente Eigenschaft, die es besonders für den Einsatz im Ton- und Lehmbau prädestiniert. Auch im Bereich der Lärmschutzwände und Schüttdämmungen kann die Pflanze ihre Stärken ausspielen. Sogar als Alternative zur traditionellen Reet-Bedachung bietet sie sich an, da sie ähnlich wie Reet robust und langlebig ist, jedoch gleichzeitig einen besseren ökologischen Fußabdruck aufweist.

Noch etwas zu den Umweltauswirkungen von Riesenchinaschilf: Die Pflanze ist zu 100 Prozent biologisch abbaubar und fungiert gleichzeitig als CO2-Speicher. Ihre Produktion ist energiearm, und der Anbau ist sowohl robust als auch pflegeleicht, was den Einsatz von Pestiziden überflüssig macht. Durch den regionalen Anbau von Miscanthus können zudem die Transportwege kurz gehalten werden, was zusätzlich zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes beiträgt.

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