Fertighaus kaufen – ja oder nein?

Von Dominik Hochwarth

Das Nischendasein früherer Tage haben Fertighäuser längst hinter sich gelassen. Etwa jedes fünfte Ein- oder Zweifamilienhaus wird in Deutschland in Fertigbauweise errichtet, bei unseren Nachbarn aus Österreich sind es sogar mehr als ein Drittel. Grund genug, sich einmal näher mit dem Thema Fertighaus zu beschäftigen. Dieser Ratgeber soll bei der Entscheidungsfindung helfen, denn noch immer werden die vorfabrizierten Häuser mit einiger Skepsis betrachtet. Da geht zum einen um Schadstoffe, zum anderen auch um die Folien zur Abdichtung der Häuser. Beides habe ich einmal näher unter die Lupe genommen.

Fertighaus
Wer sagt denn, dass ein Fertighaus nicht schön aussehen kann?

Das erwartet Sie in diesem Beitrag

Was ist ein Fertighaus?

Ein Fertighaus ist ein Haus, das aus im Werk vorgefertigten Teilen besteht und auf der Baustelle nur noch zusammengesetzt wird. Und zwar entweder auf einer Bodenplatte oder einem Keller. Innerhalb weniger Stunden steht die Hülle des Fertighauses. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Material die Wände bestehen und welche Bauweise zum Einsatz kommt. Zum Einsatz kommen zum Beispiel geschosshohe Wandelemente oder Raumzellen aus Decken- und Dachelementen.

Massivhaus oder Fertighaus?

Es gibt gute Gründe für, aber auch gegen das Fertighaus. Da es in diesem Beitrag jedoch um Fertighäuser gehen soll, möchte ich mich an dieser Stelle nur mit den Vorzügen und Nachteilen der vorfabrizierten Häuser beschäftigen.

Vorteile Fertighaus:

  • Kurze Bauzeit
  • Feste Preise
  • Feste Termine
  • Alles aus einer Hand
  • Weniger Personalkosten
  • Musterhäuser für ersten Eindruck
  • Ausbauhaus für Selbermacher

Nachteile Fertighaus:

  • Häufig schlechterer Schallschutz
  • Geringerer Wiederverkaufswert
  • Kürzere Lebensdauer
  • Schlechte Wärmespeicherung
  • Empfindlicher bei Wasserschaden
  • Wandbefestigungen nur mit Spezialdübel
  • Häufig werden Folien verbaut

Das richtige Fertighaus finden

Welches Fertighaus passt zu mir? Diese Frage stellen sich tausende Häuslebauer Jahr für Jahr. Und nicht so einfach zu beantworten. Schließlich hat jeder andere Bedürfnisse und Wünsche. Es gibt daher nicht das schönste oder beste Fertighaus. Gleichwohl gibt es einige Kriterien, auf die es beim Kauf ankommt. Das fängt bei den verschiedenen Bauweisen an und hört bei den Ausstattungsmerkmalen noch lange nicht auf.

Die verschiedenen Bauweisen

Bei Fertighäuser muss grundsätzlich erst einmal unterschieden werden zwischen Häusern, die aus Holz und solchen, die aus anderen Materialien gebaut werden.

Holzbauweisen

Holzhäuser sind in der Regel nicht komplett aus Holz (mit Ausnahme der Holzblockbauweise), sondern besitzen nur ein Grundgerüst aus Holz. Hier werden unterschieden:

  • Holzständerbauweise
  • Holztafelbauweise
  • Fachwerkbauweise
  • Blockbohlenbauweise

Holzständerbauweise

Die Standardmethode ist die Holzständerbauweise, die auch als Holzrahmenbauweise bezeichnet wird. Vom Prinzip nehmen bei dieser Bauweise die vertikalen und horizontalen Balken die senkrechten Kräfte auf. Die seitlich wirkenden Kräfte wie zum Beispiel durch Windeinwirkung werden von den Versteifungsplatten abgetragen, die innen und außen am Holzrahmen befestigt werden. In den Gefachen zwischen den Holzbalken ist die Dämmung integriert.

Holztafelbauweise

Ein Abwandlung der Holzständerbauweise ist die Holztafelbauweise, die bei Fertighäusern hierzulande am häufigsten praktiziert wird. Hier werden im Werk bereits komplette Wände zusammengebaut, so dass auf der Baustelle nur noch einzelne Wände sowie die Deckenplatten zusammengefügt werden müssen. Der Aufbau dauert so nur wenige Stunden.

Fachwerkbauweise

Die klassische Fachwerkbauweise kommt ohne Metallwinkel oder Nägel aus. Und wenn Nägel, dann Holznägel. Bei einem Fachwerkhaus ist reine Zimmermannskunst gefragt. In der Werkstatt werden die Balken zurechtgesägt und auf der Baustelle zusammengesetzt. Es kommen senkrechte, waagerechte und schräge Balken zum Einsatz. Dadurch kann das System alle auftretenden Kräfte ohne Aussteifungsplatten abtragen.

Blockbohlenbauweise

Die Blockbohlenbauweise ist insbesondere in Skandinavien sehr beliebt. Es gibt aber auch einige Anbieter, die in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz Wohnblockhäuser anbieten. Die Wände bestehen aus übereinander geschichteten, liegenden Hölzern, die an ihrem Ende miteinander verblattet sind. Eine Abwandlung ist der Ständerbohlenbau. Hier gibt es zusätzlich noch senkrechte Ständer, die in weitem Abstand in eine Schwelle eingezapft werden.

Wer massives Holz liebt und eine natürliche Optik, für den sind Blockbohlenhäuser eine richtig gute Wahl. Sie sind natürlich nicht wirklich etwas für die Stadt, aber im ländlichen Bereich sicherlich mehr als eine Alternative zu herkömmlichen Fertighäusern.

Massivbauweisen

Bei den massiven Fertighäusern werden zum Beispiel folgende Bauweisen unterschieden:

  • Ziegelverbundbauweise
  • Betonfertigteilbauweise
  • Mit Beton vergossene Schalungselemente

Ziegelverbundbauweise

Bei der Ziegelverbundbauweise werden bereits im Werk ganze Wände aus Ziegelsteinen gefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt. Sie kombiniert also das Beste aus dem Massivhausbau mit dem Besten aus dem Fertighausbau.

Betonfertigteilbauweise

Ähnlich sieht es bei der Betonfertigteilbauweise aus. Hier werden Wände und Decken ebenfalls bereits vorgefertigt auf die Bodenplatte oder den Keller gesetzt. Häufig kommt hierfür ein Leichtbeton zum Einsatz.

Mit Beton vergossene Schalungselemente

Für Selbermacher sind mit Beton vergossene Schalungselemente interessant. Die Schalungssteine bilden hierbei die Dämmung und sie werden wie Legosteine aufeinander gestapelt. Solche Schalungselemente gibt es zum Beispiel aus EPS oder aus Holzfasern.

Aufbau eines Fertighauses mit einem Fahrkran
Aufbau eines Fertighauses mit einem Fahrkran

Verschiedene Ausstattungsvarianten

Grundsätzlich können bei Fertighäusern drei Ausstattungsvarianten unterschieden werden:

  • Bausatzhäuser
  • Ausbauhäuser
  • Schlüsselfertige Häuser

Bausatzhäuser

Bei einem Bausatzhaus bekommen Sie nur die Materialien auf die Baustelle geliefert. Sie müssen dann das Haus nach Anleitung selbst zusammenbauen. Wer handwerklich geschickt ist und genügend Zeit hat, kann auf diese Weise recht günstig bauen.

Ausbauhäuser

Beim Ausbauhaus übernehmen Sie hingegen in der Regel nur den Innenausbau und hier dann auch nur die Gewerke, die Sie machen können oder wollen. Je mehr Sie selbst werkeln, desto mehr Geld sparen Sie.

Schlüsselfertige Häuser

Sind Sie mit zwei linken Händen gesegnet oder haben Sie einfach keine Lust, selbst Hand anzulegen, dann ist ein schlüsselfertiges Haus genau das richtige für Sie. Sie müssen dann nach Schlüsselübergabe nur noch einziehen und alles ist gut. Das macht sich aber auch am Preis bemerkbar, der bei dieser Variante am höchsten ist.

Gehören Bodenplatte und Keller dazu?

Ein Fertighaus wird in der Regel ab Oberkante Keller geliefert. Sie müssen also noch mit zusätzlichen Kosten rechnen. Ein Keller kann schon mal 30.000 Euro oder mehr kosten, wenn es sich um schwierigen Baugrund handelt. Häufig bieten die Fertighaus-Hersteller auch an, sich um die Bodenplatte oder den Keller zu kümmern. Sie bekommen somit alles aus einer Hand und müssen sich nicht selbst einen Kellerbauer suchen.

Ein Haus von der Stange?

Fertighäusern haftet der Ruf an, Häuser von der Stange zu sein. Das ist zum einen richtig, aber auch grundlegend falsch. Was die Hersteller in ihren Prospekten anbieten, sind Vorschläge und werden in den seltensten Fällen auch wirklich so gebaut. Wenn Sie ein Massivhaus vom Architekten planen lassen, greift der sicherlich auch auf bereits verwirklichte Projekte von sich zurück. Ein komplett individuelles Haus bekommen Sie dann auch nicht.

Welche Fertighäuser sind zu empfehlen?

Einen speziellen Haustyp möchte ich hier nicht empfehlen, denn ich weiß nicht, was Ihnen am besten gefällt. Soll es ein ebenerdiger Bungalow sein, ein konventionelles Fertighaus mit Satteldach oder ein modernes Haus mit Pultdach? Das müssen Sie ganz alleine entscheiden. Wichtig ist vor allem die Wahl des passenden Herstellers. Manche sind ganz neu auf den Markt oder haben öfter mal den Namen geändert. Da müssen Sie vorsichtig sein.

Auf jeden Fall sollten Sie sich Referenzen nennen lassen und gegebenenfalls mit anderen Bauherren reden, die mit diesem Hersteller gebaut haben. Da erfahren Sie dann recht zuverlässig, ob Sie dem Anbieter trauen können. Weitestgehend auf der sicheren Seite sind sie bei Fertighaus-Herstellern, die bereits lange auf dem Markt sind. Wobei es sicher immer Probleme geben kann. Da ist es nicht verkehrt, wenn Sie auf Ihrer Seite jemanden haben, der sich mit dem Bauen auskennt. Am besten einen unabhängigen Bausachverständigen.

Welche Kosten kommen noch dazu?

Grundstück, Notar, Keller oder Bodenplatte – das sind Kosten, die beim Bau des Fertighauses auf jeden Fall noch dazu kommen. Auch für Baustrom, Wasser und Versicherungen werden Sie bezahlen müssen. Bei den sonstigen Kosten kann aber noch einiges zusätzlich auf Sie warten. Das ist jedoch von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Da ist es wichtig, sich vor Vertragsunterschrift die Bauleistungsbeschreibung ganz genau anzuschauen und am besten einen Fachmann zu Hilfe zu holen.

Zusätzliche Kosten entstehen zum Beispiel bei einer Baugrunduntersuchung, für den Schuttcontainer oder einen Kran. Gibt es keinen befestigten Zufahrtsweg, müssen Sie vielleicht noch eine Befestigung zahlen, damit der Schwerlaster bei der Lieferung des Hauses festen Halt hat. Es gibt aber noch einiges mehr, was an unerwarteten Kosten noch auf Sie zukommen kann. Daher ist es wichtig, immer noch eine eiserne Reserve in Petto zu haben.

Augen auf bei der Bemusterung

Bei der Bemusterung des Fertighaus legen Sie zum Beispiel fest, welche Fliesen im Bad verwendet werden sollen oder welcher Bodenbelag im Wohnzimmer. Es gibt Standardlösungen, die keinen Aufpreis kosten aber es gibt auch Lösungen, für die Sie einen Aufpreis berappen müssen. Behalten Sie am Tag der Bemusterung daher kühlen Kopf und überlegen Sie bereits im Vorfeld ganz genau, wie hoch ihr Budget für Zusatzwünsche ist. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie danach ganz lange Gesichter machen, wenn Ihnen die Rechnung präsentiert wird.

Schadstoffe in Fertighäusern

Immer wieder liest man Meldungen über schadstoffbelastete Fertighäuser. Das gilt insbesondere für ältere Häuser aus den 1960er bis in die 1980er Jahre. Diese können, müssen aber nicht mit Schadstoffen verseucht sein. Ich bin zum Beispiel in einem Fertighaus aus den 1970er Jahren aufgewachsen und hatte dahingehend niemals gesundheitliche Probleme. Und meine Eltern leben heute noch darin.

Mögliche Gifte sind Formaldehyd oder Reizstoffe wie Ameisen- und Essigsäure. Auch diverse Holzschutzmittel wie das mittlerweile verbotene Lindan, DDT oder PCP können das Fertighaus verseucht haben. Mitunter riecht es in alten Fertighäusern auch muffig. Das kann an Geruchsstoffen wie Chloranisolen oder Chornaphthalinen liegen. Diese sind zwar nicht direkt gefährlich, aber schwer zu lokalisieren und zu beseitigen. Und wer möchte schon in einem Haus leben, das dauerhaft nach Abstellkammer müffelt?

Wer ein altes Fertighaus kaufen möchte, sollte unbedingt vorher eine Raumluft-Untersuchung durchführen lassen. Werden Schadstoffe nachgewiesen, lassen Sie  besser die Hände von der Immobilie. Eine Schadstoff-Sanierung kann teuer werden. Und raus sollten die Schadstoffe auf jeden Fall, können manche doch krebserregend sein oder das Immun- oder Nervensystem schädigen.

Fertighäuser und die Folien

Die in den Außenwänden verbauten Folien – das heißt Dampfbremsen und Dampfsperren – werden häufig als Schwachpunkt bei Fertighäusern ausgemacht. Schimmelbildung heißt hier das Stichwort. Und Barackenklima, dank Wänden, die nicht atmen können. Das können sie eh nicht – ob mit oder ohne Folie.

Fertighauswände müssen gedämmt werden, da braucht es von innen und von außen eine Absicherung, dass die Dämmung nicht durchnässt. Am einfachsten geht das mit Folien. Und in der Regel passiert bei fachgerechtem Einbau auch nichts. Selbst einzelne Schrauben oder Nägel, die die Dampfbremse durchlöchern, machen nix. Etwas Feuchtigkeit gelangt bei einer Dampfbremse sowieso in die Dämmung. Schon rein wegen ihrer Wirkungsweise. Wichtig ist nur, dass die Feuchte auch wieder raus kann. Das geschieht in der Regel in den trockenen Sommermonaten.

Viele moderne Fertighäuser kommen ohne Folien aus. Dank diffusionsoffenem Wandaufbau können nun auch eingefleischte Folien-Gegner ein Fertighaus kaufen. Das ist sicher in der Regel teurer – zumal wenn dann noch ökologisch unbedenkliche Dämmstoffe verwendet werden. Aber man kann dann wenigstens mit einem guten Gewissen in solch ein Haus einziehen.

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